Optimierte Prozesse und individualisierte Maschinen bei Procedes
Konfektion, das klingt erstmal nach Haute Couture und Paris Fashion Week. Bei Procedes in Lemwerder macht die Konfektion den größten Arbeitsbereich des Unternehmens aus. Und obwohl es bei uns nicht immer um Laufstege und Topmodels geht – wir bieten Innovationsgeist und minutiös perfektioniertes Handwerk! Jacek Treffler ist seit dreißig Jahren der Herr über Cutter und Nähmaschinen bei Procedes und nimmt Sie mit durch seinen Arbeitsbereich.
„Ich fange morgens um sechs Uhr an und disponiere die Cutter*innen. Die Aufträge werden im internen Projektmanager-Tool angelegt und farbcodiert. So wissen die Cutter*innen, mit welchen Aufträgen sie beginnen können,” erzählt Jacek Treffler. Die Aufträge, das sind meistens großformatige Textilbanner für Werbeflächen, Messestände und innenarchitektonische Projekte. Procedes druckt sie auf ca. 100 verschiedenen textile Standardmaterialien, die je nach Einsatzzweck ganz unterschiedliche Eigenschaften haben - Hinterleuchtbarkeit, Transparenz, akustische Funktionalität, Outdoorbeständigkeit, um nur einige Aspekte zu nennen. Auch Spezialanfragen werden jederzeit angenommen und auf Machbarkeit geprüft. Für all das braucht es hoch spezialisiertes Werkzeug, individuelle Kalibrierung und Handwerkskunst.
„All unsere Cut-Dateien erstellen wir selbst”, erzählt Jacek Treffler weiter. „Dafür testen wir neue Stoffe auf Herz und Nieren: Qualität, Maßhaltigkeit, Bedruckbarkeit. Wir überprüfen alles, bevor wir die Drucke unseren Kund*innen zu Verfügung stellen können.“
Diese Cut-Dateien werden auch Cut-Konturen genannt – fast wie beim Friseur. Aber mit oben kurz und im Nacken etwas länger hat das nichts zu tun. Vielmehr ist es unser Procedes-Verfahren, bedruckte Textilien passgenau und automatisiert für unsere Rahmensysteme zuzuschneiden.
Eine sogenannte Schneideinformation wird in der Druckvorstufe in Form eines Vektorpfads als „Cut-Kontur“ angelegt und somit Teil der fertig vorbereiteten Druckdatei. Diese Information beinhaltet alle Maße, das Stretchverhalten des jeweiligen Materials und eventuell Ausschnitte inklusive aller Konfektionszugaben für die spätere Verarbeitung.
In der RIP-Software wird diese Information erkannt. Neben der automatischen Erstellung der Druckdatei wird dann eine externe Schneidedatei erstellt. An unseren Schneidetischen kann diese Datei dann dem fertigen Druck zugeordnet werden und gewährleistet damit einen automatisierten und passgenauen Zuschnitt.
How-to Konfektion
Vor der Produktion:
- Neue Materialien werden auf Druckqualität und Maßhaltigkeit geprüft
- Die entsprechenden Daten werden intern gespeichert und fĂĽr alle Gewerke verfĂĽgbar gemacht
In der Produktion:
- Cutter*innen schneiden anhand der Cut-Dateien die Textilien zu.
- Näher*innen umsäumen die Textilien und bringen Keder zur Befestigung an.
- Falls nötig, werden Befestigungsösen in das Textil eingeschlagen.
- Fertige Textilien werden auf Pappkerne gerollt und fĂĽr den Versand vorbereitet. Immer mehr bedruckte Materialien lassen sich tuchen (falten) und sparen so Platz im Versand und man kann auf Pappkerne verzichten (Stichwort Nachhaltigkeit)
An dieser Stelle ein kleiner Exkurs zum Thema Keder (Sie brauchen das später, versprochen!):
Ein Keder ist eine Randverstärker von Textilien. Es gibt vielfältige Arten von Kedern, die wir in Kombination mit unseren (bedruckten) Stoffen verwenden: Verschiedene Einsatzzwecke erfordern unterschiedliche Kederbefestigungen. Der Keder dient in seinen unterschiedlichen Bauweisen dazu, die Form der Banner zu fixieren und in Rahmen oder Sonderkonstruktionen zu befestigen.
Am häufigsten verwenden wir den sogenannten Flachkeder – eine Hartgummilippe, die an den Außenseiten des Textils angenäht wird und dazu dient, den Stoff in unseren Rahmensystemen in Form und Spannung zu halten. Einige Trägerprofile können per Rundkeder mit Textilien bestückt werden. Dabei wird der Keder per Hohlsaum ummantelt und dann in das Aluminiumprofil eingeschoben.
Aber nun zurück zu Herrn Treffler, in die Konfektionshalle: „Wenn die Cutter*innen mit den ersten Zuschnitten fertig sind, bringe ich sie zu den Näher*innen und verteile sie. Dafür haben wir besonders angepasste Transportwagen gebaut. Die Zuschnitte liegen nach Tagen sortiert in den Regalen, ich packe also die für den heutigen Tag auf den Wagen und fahre sie zu den Nähmaschinen. Das mache ich ganz gerne persönlich, denn dann habe ich immer den Überblick.“
Flexibilität und umfassendes Wissen sind die Grundlage
Danach werden auch die restlichen Mitarbeitenden für den Tag eingeteilt. Bei Procedes ist besonders wichtig, dass alle Mitarbeitenden den kompletten Arbeitsbereich beherrschen: „Wir sind sehr flexibel, denn alle Mitarbeitenden können alles machen - ob Hohlsaum, Flachkeder oder Sonstiges“, betont Jacek Treffler.
Wenn die Crew arbeitet und alle Maschinen laufen, kümmert sich Jacek Treffler in erster Linie um die Qualitätsüberwachung. In 30 Jahren bei Procedes hat er beinahe alles schon einmal gesehen und kennt sich aus – an seinem Qualitätscheck kommt kein fehlerhaftes Fabrikat vorbei! Er überwacht und perfektioniert aber nicht nur die Produkte, sondern auch die Prozesse bei Procedes: „Kürzlich haben wir festgestellt, dass unsere Anlage nicht ganz ideal ist. Uns ist aufgefallen, dass die Stoffe schneller durchlaufen müssten. Daraufhin haben wir eine Lauffläche in unserer Halle halbiert und neue Nähmaschinen gekauft. Das ist eine große Stärke von Procedes: Wenn die Argumente dafür stimmen, dann werden neue und bessere Geräte angeschafft.“ So bleiben Produktionsqualität und -geschwindigkeit auf einem konstant hohen Niveau.
Von der Stange sind auch die Maschinen in der Konfektion nicht. Alle Geräte werden individuell auf die Bedürfnisse von Procedes zugeschnitten und kalibriert - zum Teil in Eigenregie. „Unsere Nähmaschinen sind mit einem Computer verbunden, sodass sie ganz individuell auf jeden einzelnen Mitarbeiter angepasst werden können, aber trotzdem all unsere Produkte mit den gleichen Einstellungen genäht werden. Für jedes von Procedes verarbeitete Textil gibt es eine eigene Justierung in der Maschine, sodass es weder zu straff, noch zu locker vernäht wird. Das funktioniert letztlich nur in Handarbeit.“ Die Einstellungen und Informationen zu Textil bzw. Produkt finden sich auf einem scannbaren Label. Mit diesem Label lässt sich das Produkt den ganzen Konfektionsprozess hindurch zuordnen.
Alle Textilien werden auf Herz und Nieren geprĂĽft
Aber woher kommen diese Informationen eigentlich? Auch das ist bei Procedes Handarbeit, wie Jacek Treffler erzählt. „Alle Maschineneinstellungen haben wir selbst entwickelt. Jedes neue Textil wird zunächst wochenlang getestet, auf Qualität, auf Maßhaltigkeit, wie hält die Farbe?! Ohne dieses Testverfahren geht kein neues Material in den Verkauf. Um das alles richtig einzuschätzen, braucht es viel Erfahrung und die Passion, mit dem Testen von kleinen Feinheiten zu spielen – das ist das Procedes-Know-How.“ Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil fast jedes von Procedes konfektionierte Textil am Ende in einen Aluminiumrahmen gespannt wird. Und wie sich das Material unter Spannung verhält, lässt sich nur durch Ausprobieren herausfinden. Besonders für hinterleuchtbare Textilien ist das relevant: „Textilien für Hinterleuchtung werden im Raster Image Processor (RIP) in der Druckvorstufe prozentual verkleinert. Das heißt, wenn ich einen 1x1-Meter-Rahmen habe, ist der Druck 2 Millimeter kleiner, also 99,98 cm. Ziel ist immer eine faltenfreies Druckerzeugnis im Aluminiumrahmen. Die zwei Millimeter Differenz sind also genau die Spannung, die ich brauche, um das Textil glatt zu bekommen“, erklärt Jacek Treffler. „Bei Procedes arbeiten wir mit speziellen Programmen für das Schneidemaß, in denen alle Textilien hinterlegt sind. Dahinter steht eine Datenbank, in der alle diese Abzüge festgehalten sind.“
Erneut ein kleiner Exkurs, diesmal zum Thema Raster Image Processor (Sie verzeihen uns das, ja? Wir lieben unseren Job einfach!):
Die RIP-Software ist das Herz der Druckdatenvorbereitung und sorgt dafür, dass die vorbereiteten Grafikdaten in eine für die Druckmaschine verständliche Maschinensprache übersetzt werden.
Im Detail bedeutet das folgendes: Die Daten werden in hochauflösende Bitmaps (Dateiformat einer Pixelgrafik) konvertiert. Dabei werden sie in die vier Farbauszüge Cyan, Yellow, Magenta und Schwarz separiert und schließlich als einzelne Separationen an die Druckmaschinen gesendet. Dort werden sie wieder zusammengesetzt und als eine einheitliche Bilddatei verarbeitet. Die Maschinensprache belässt es aber nicht bei einer einfachen Separation, sondern ergänzt noch unser individuelles Farbmanagement mit den enthaltenen Farbinformationen und gleicht diese mit den in der Druckdatei enthaltenen Farbwerten ab.
Zurück an die Nähtische: Dort werden die Keder aufgenäht, eine Randverstärkung aus Kunststoff. Procedes arbeitet mit Rund- und Flachkedern, je nach Produkt. Und findet für fast jedes Textil eine Lösung: „Für fusselnde Textilien haben wir zum Beispiel eine Overlock-Nähmaschine fürs Besäumen mit Flachkedern, damit der Keder nicht ausreißt. Diese Maschine wurde extra für Procedes angefertigt.“ Die Keder sorgen auch dafür, dass es individuelle Lösungen für den Versand der Produkte braucht, erzählt Jacek Treffler. „Gerollte Stoffe werden im Kern mit recyclefähiger Schaumfolie ausgefüllt, um Knicke zu vermeiden. Diese Folie gleicht den Flachkeder aus, ohne sie fällt die Rolle in sich zusammen.“
Auch viele ganz kleine Prozesse sind in der Procedes-Konfektion bis ins Kleinste optimiert: Die Pappkerne, auf die die Banner zum Versand gewickelt werden, können zum Beispiel direkt neben den Nähtischen individuell zugeschnitten werden. Auch diese Nähtische sind speziell für Procedes angefertigt. Und auch die Maschinen, mit denen die Ösen in die Banner eingeschlagen werden, sind auf die Procedes-Workflows optimiert.
Jacek Treffler zeigt auf einen großen Bildschirm an der Wand. „Hier können wir immer sehen, wie viele Banner wir am jeweiligen Tag schaffen müssen und wie weit wir schon sind. So behalten wir immer den Überblick.“ Er lacht. „Und es ist natürlich auch ein kleiner Wettbewerb unter den Gewerken Konfektion, Druck und Metallverarbeitung.“
Ein Wettbewerb der funktioniert: In voller Besetzung konfektioniert die Procedes-Konfektion 4.500qm Textil pro Tag, die dann auf Messen, am POS und an sonstigen Standorten in aller Welt die Marke der Kunden in den Raum bringen.